Ein Steirer im Dienst des Zaren
Geschichten zur Geschichte - von Rüdeger Frizberg
Nach einigen Zwischenstationen wurde er an die Schwarzenbergsche Hofkanzlei nach Wien berufen. Von seiner neuen Aufgabe unerfüllt, reichte er bald seine Entlassung ein. Er unternahm nun ausgedehnte Reisen durch die Steiermark, Kärnten, Oberitalien, später auch nach Salzburg und Bayern, auf denen er umfangreiche geognostische (älterer Ausdruck für „geologisch") Untersuchungen der Landschaft durchführte. Seine Kenntnisse hatte er sich durch private Studien und über Kontakte zu den damaligen namhaften Fachleuten auf dem Gebiet des Berg- und üttenwesens erworben.
Eine bedeutende Wendung in seinem Leben trat ein, als ein Mitarbeiter Schwarzenbergs eine seiner Aufzeichnungen über ein spezielles Schmelzverfahren als Verrat von Betriebsgeheimnissen auffasste und Maßnahmen gegen Hermann forderte. Dieser fürchtete ernste Konsequenzen und flüchtete über Krakau nach St. Petersburg.
In Russland stieg er rasch die Karriereleiter empor: Bald nach seiner Ankunft hatte er sich als Mineraloge, Bergingenieur und „Statistiker" unter anderem mit seiner Schrift „Abriss der physikalischen Beschaffenheit der Österreichischen Staaten" einen guten Ruf erworben. Als Zarin Katharina II von seinen Schriften erfuhr, befahl sie 1783 die Errichtung eines Stahlwerkes im Ural nach Hermanns Plänen. Bereits im Jahr 1784 legte er der russischen Staatskanzlei die Pläne für ein Stahlwerk in Katharinenburg im Ural vor. Nachdem die Zarin diese Pläne genehmigt hatte, wurde er zum Hofrat befördert, mit dem Bau des Werkes beauftragt und auch zu dessen Direktor ernannt. In welchen großen Zusammenhängen Hermann dachte, beweist auch seine Schrift „Versuch einer mineralogischen Beschreibung des Uralischen Erzgebirges", in der er sich mit der Wechselwirkung zwischen Bergbautechnologien und wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten auseinandersetzte. Im Jahr 1789 wurde er auch Mitglied der Akademie in St. Petersburg. Ab nun wurde er auch immer wieder zum Ehrenmitglied von Akademien im Ausland ernannt. Etwa zur selben Zeit wurde er mit der Durchführung eines Programms zur Industrialisierung Sibiriens beauftragt. Neben seiner Tätigkeit im Rahmen dieser Industrialisierung entdeckte er dort auch eines der weltweit größten Steinkohlevorkommen. Hermann erkannte als erster die wirtschaftsstrategische Bedeutung nahe beieinander liegender Eisenerz- und Kohlevorkommen.
Mit der zusätzlichen Ernennung zum Mitglied des russischen Reichs-Bergkollegiums, dessen Aufgabe es war, die Suche nach Mineralien zu überwachen, stieg er in den Rang eines Oberberghauptmanns vierter Klasse auf. Das entsprach dem Rang eines russischen Generalmajors. Mittlerweile hatte er zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten in deutscher, französischer und russischer Sprache veröffent-licht. Einen weiteren Schritt in seiner Karriere bedeutete seine Ernennung zum Befehlshaber der katharinenburgischen Berghauptmannschaft, der alle Berg- und Hüttenwerke des Ural mit einer Belegschaft von mehr als 10.000 Bergleuten unterstanden. Er kümmerte sich aber auch um deren soziale Belange: So war er bestrebt die extrem hohe, durch Pocken verursachte Säuglingssterblichkeit zu bekämpfen. Er kümmerte sich um Kranken-Pflegeanstalten für arbeitsunfähig gewordene Arbeiter. Auch die Einrichtung von Schulen in jedem der Bergarbeiterdörfer geht auf seine Initiative zurück. 1807 beförderte ihn Zar Alexander I zum General-Bergintendanten, einem der höchsten Ämter in der Bergwerkshierarchie des damaligen Russland.
Trotz seiner Erfolge in seiner neuen Heimat trug er sich um 1784 mit dem Gedanken, nach Österreich zurück zu kehren. Ein diesbezügliches Angebot wurde jedoch von Josef II auf Anraten des Hofes abgelehnt. So trat er in die lange Reihe der Auslandsösterreicher, die im Ausland erfolgreich sein mussten, weil man sie in ihrer Heimat nicht schätzte.
Helmut W. Flügel hat das Leben von Benedikt Hermann in der Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark (Ausgabe 96/2005) ausführlich beschrieben.