Die Zukunft ist weiblich
Dieses Jahr verspricht ein ganz besonderes zu werden. Allerorts wird verheißen: DIE Zukunft ist weiblich. Wenn das keine gute Nachricht ist! Zugegeben, der Medienschwall alleine stellt nicht eminent zufrieden, aber wie heißt es so schön,
...aller Anfang ist wichtig
Drin Sophie Karmasin, die quirlige Dame aus der Marktforschungsdynastie Karmasin, hat eine Studie zur Frage "Ist die Zukunft weiblich?" veröffentlicht. Die Facts: Zugpferd Nummer eins in einer weiblichen Zukunft ist mehr Bildung. Karmasin: "Mehr Schulbildung bringt mehr Selbstständigkeit, höheres Einkommen und damit mehr Gleichberechtigung innerhalb der Familien." Und hier hat Frau in den letzten 20, 30 Jahren ganz schön zugelegt. Bei den über 70-Jährigen sind es 41 Prozent, die über eine höhere Bildung (ist gleich mehr als Volks- und Hauptschulabschluss) verfügen, bei den bis zu 50-Jährigen hingegen bereits stolze 74 Prozent. "Auch beim Studium haben Frauen stark nachgezogen, nicht jedoch in den technischen Studienrichtungen", bedauert Karmasin, "dabei wäre es gerade in neuen Branchen wie Medien, Werbung, Internet, E-Commerce, Web-Design und so weiter leichter für Frauen, sich gleichberechtigt einzubringen und etwas Neues zu etablieren." Ein weiteres Signal für eine weibliche Zukunft sei die soziologische Entwicklung, dass Frauen nun später Kinder bekommen. Karmasin: "In dieser Zeit, in der die Frauen jetzt keine Kinder bekommen, arbeiten sie, sind selbstständig und selbstbewusster und kommen damit nicht so schnell in diese Abhängigkeit und Passivität." Einen Zuwachs könne man auch bei Frauen in höheren Positionen feststellen. "Da gibt es zum Teil 100%ige Steigerungen, allerdings von einem Niveau das lächerlich ist. Vielleicht von 2 auf 4 Prozent", relativiert die Marktforscherin. Die steigende Zahl der berufstätigen Mütter und die Entwicklung mehr Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, sei ein weiteres Indiz. Im ländlichen Raum sei dies alles lediglich in geschwächter Form zu beobachten. Karmasin begründet diese Tatsache mit stärkeren Bildungsdefiziten, längeren Wegzeiten und weniger Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Von der Zauberformel Teleworking hält sie wenig, denn in höheren Positionen sei Anwesenheit immer noch erforderlich.
Viele Signale in Richtung weibliche Zukunft, aber ...
"vielfach trotzdem immer noch ein Wunschdenken", sagt Karmasin, "es zielt zwar alles in diese Richtung, aber wenn man konkret wird und den Alltag von Frauen und ihre berufliche Situation kritisch unter die Lupe nimmt, sieht es anders aus." Es gebe immer noch starke Barrieren, die Frauen auch wahrnehmen. "48 % der Frauen mit Matura sind zum Beispiel der Meinung, dass Männer ihren Aufstieg behindern wollen, das ist noch relativ viel", so Karmasin. Ein weiterer Stolperstein auf dem weiblichen Karriereweg sei die "gute, alte" Tradition. Lange gelebte Systeme ließen sich nicht von heute auf morgen auf den Kopf stellen. Karmasin dazu: "Rational gesehen wäre es jetzt das Beste in einen neuen Technik-Beruf zu gehen, aber natürlich lebt jede Frau in einem sozio-kulturellen und familiären Umfeld, da kann sie sich gar nicht so frei machen und es dauert Jahrzehnte bis sich die Abkehr von traditionellen Frauenberufen auch auf der geistigen Ebene verankert. "Und andererseits sei der männliche Machtanspruch ein wesentlicher (Be)- Hinderungsgrund. Karmasin: "Männer müssen oder sollen jetzt vielfach Macht abgeben, oder mitarbeiten, oder partnerschaftlicher werden, und das oft ohne Gegenleistung. Was, betrachtet man es jetzt aus ihrer Perspektive, natürlich schmerzhaft ist und sie wehren sich ja auch mit Händen und Füßen dagegen."
Liegt die weibliche Zukunft also eher noch in weiter Ferne?
"Keinesfalls, man muss festhalten, dass die Gesellschaft nie wirklich frauenfreundlich werden wird, wenn wir nicht anfangen sie auf einer Einspielebene zu imitieren. Zuallererst kommt die Einstellung und ein gewisses gesellschaftliches, kulturelles Klima in diese Richtung", skizziert Karmasin, "dann erst können Gesetze und geänderte Verhaltensweisen folgen. Auf dieser ersten Ebene funktioniert es ja schon ganz gut, alles andere wird hoffentlich sehr bald schon nachhaltig folgen." Und wie kommt die Mutter eines eineinhalbjährigen Sprösslings mit ihrer Situation - Karriere, Full-Time-Job und Familie - zurecht? Sophie Karmasin: "Ich bin ja quasi ein Einzelfall, Mutter, Großmutter und Au-Pair-Mädchen unterstützen mich, außerdem kann ich mir meine Zeit selbst einteilen. Also wenn ich es nicht schaffen würde beruflich etwas zu bewegen und Kinder zu haben, sehe ich überhaupt schwarz." Im elterlichen Marktforschungsinstitut hat Sophie Karmasin erst nach Umwegen Fuß gefasst. "Nach dem Studium war ich in einem Konzern im Marketing und hab' mir das alles von außen angeschaut und ein bisschen belächelt. Dann später habe ich gesehen, dass das in dem Konzern auch nicht so großartig abwechslungsreich ist und vor allem habe ich mir überlegt, wie werde ich das jemals mit einer Familie machen. Das war auch mit ein Grund dass ich mir gesagt habe, in der Situation hier kann ich es mir irgendwie ermöglichen."
Andrea Löffler