potentials@work
Internationale Konferenz zu Arbeit und Behinderung

Mehr Beschäftigung für Menschen mit Behinderung ist eines der wichtigsten Ziele in der Behindertenpolitik in der Steiermark. Als Teil einer gemeinsamen Initiative des Landes Steiermark und der Wirtschaftskammer trafen 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Flughafen Graz-Thalerhof mit europäischen Expertinnen und Experten zu diesem Thema zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch zusammen.
„Es war die erste Konferenz in der Steiermark in diesem Rahmen. Wir konnten daraus viel praktische Anregungen und neue Ideen, die wir gemeinsam mit den Unternehmerinnen und Unternehmern umsetzen können, gewinnen", betonte Soziallandesrätin Doris Kampus. Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk erläuterte, „dass die Integration von Menschen mit Behinderung ein wichtiges gesellschaftspolitisches Anliegen ist".
Welche sind die erfolgreichsten Modelle in der Europäischen Union, um Menschen mit Behinderungen nachhaltig in den Arbeitsmarkt einzubinden? Welche Gründe sind dafür ausschlaggebend, dass Österreich und die Steiermark hier noch dazu lernen können? Mit diesen zwei zentralen Fragen beschäftigten sich die Gäste der internationalen Konferenz „Potentials@Work", die vom Land Steiermark, der Wirtschaftskammer Steiermark und dem Europäischen Dachverband der Sozialwirtschaft (EASPD) ausgerichtet wurde. Die Konferenz war und ist Teil des Sechs-Punkte-Paketes für einen inklusiven Arbeitsmarkt, das auf Initiative von Soziallandesrätin Doris Kampus mit der Wirtschaftskammer vereinbart und in der Landesregierung beschlossen wurde.




Zur Eröffnung der Veranstaltung, die vom ORF-Journalisten und Behindertensportler Andreas Onea moderiert wurde, gab es eine Grußbotschaft von EASPD-Generalsekretär Luc Zelderloo, der dazu aufforderte, beim Thema inklusiver Arbeitsmarkt mehr auf Chancen und Potenziale statt auf Probleme und Defizite zu blicken.
„Arbeit ist für alle Menschen wichtig, aber besonders für Menschen mit Behinderung", betonte Soziallandesrätin Kampus bei ihrem Begrüßungstatement. Sie erwarte sich von der Konferenz, ihren internationalen Referentinnen und Diskussionen mit Akteurinnen und Akteuren des Behindertenwesens praktische Anregungen für einen inklusiven steirischen Arbeitsmarkt. „In der Behindertenpolitik nehmen wir uns in der Steiermark die besten europäischen Modelle zum Vorbild." Es sei wichtig, hier Hürden für und in Unternehmen abzubauen. Menschen mit Behinderung, aber auch Unternehmen würden von einem neuen Miteinander profitieren, so Kampus, die auch auf die wissenschaftliche Begleitung durch die Karl Franzens-Universität Graz verwies: „Wir wollen solide Ergebnisse, auf denen wir aufbauen können."
„Die Wirtschaftskammer steht trotz globalisiertem Erfolgsdruck für eine soziale Arbeitswelt und für soziale Verantwortung ein. Auch der Umstand, dass einige Menschen nicht in der Lage sind, die volle Arbeitsleistung zu erbringen, muss Berücksichtigung finden. Dafür benötigen die Unternehmen aber auch selbst Unterstützung", betonte Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk. Erfreut zeigte sich Herk auch über die Tatsache, dass an der Konferenz mit Ina Riedler eine Unternehmerin teilnahm, die trotz ihres Handicaps den Schritt in die Selbstständigkeit unternommen hat und in Thal bei Graz ein digitales Serviceportal betreibt.
Geschäftsführerin Andrea Seeger von der gemeinnützigen ACCESS GmbH aus Deutschland führte aus, dass auch Menschen mit Behinderung und besonderem Unterstützungsbedarf mit der richtigen Unterstützung durch Fachdienste wertvolle Arbeitskräfte in Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes sein können. ( Hier stehen die Folien des Vortrags von Andrea Seeger zur Verfügung.) „Der Fachdienst arbeitet nach dem Supported Employment-Ansatz und schafft in einem guten Miteinander zwischen allen Beteiligten reguläre Arbeitsplätze in Betrieben der freien Wirtschaft."
Wichtigster Erfolgsfaktor des Fachdienstes sei, dass Jobcoaches unter Berücksichtigung der betrieblichen Interessen und der Möglichkeiten der Menschen mit Behinderung mit Hilfe der Methode „Jobcreating" nach dem optimalen Einsatzgebiet im Betrieb suchen, schilderte Seeger. Auf diese Weise entsünden in der Regel neue Stellenprofile, von denen alle profitieren. Eine weiterführende Berufsbegleitung sorge für eine hohe Nachhaltigkeit der geschaffenen Arbeitsplätze. Die ACCESS GmbH wurde 2017 auf der 1. Weltkonferenz „Employment for All" in Belfast für ihr Wirken und ihre Konzepte als bester Serviceprovider in Europa ausgezeichnet.
Patricia Scherer von EASPD wiederum erläuterte die EU-Initiativen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention. Sie schilderte zudem die Finanzierungsmöglichkeiten, um mehr Menschen mit Behinderung in Arbeit zu bringen „Das Recht auf Arbeit ist ein fundamentaler Aspekt der Inklusion von Menschen mit Behinderung", so Scherer. ( Hier stehen die Folien des Vortrags von Patricia Scherer zur Verfügung.)
In einer sehr abwechslungsreichen und tiefgehenden Diskussion begegneten einander danach Theoretiker und Praktiker eines inklusiven Arbeitsmarktes, wobei sich auch das Publikum rege beteiligte. Zu Wort kamen unter anderem die beiden Unternehmer, Dr. Friedrich Santner, Chef der Anton Paar GmbH, die seit vielen Jahren Menschen mit Behinderung beschäftigt, sowie Lydia Bartelmuss, Geschäftsführerin der Fanart Design GmbH; die ihre Erfahrungen schilderten. Während Bartelmuss betonte, ohne Förderungen mehr Unabhängigkeit zu haben, betonte Santner die Notwendigkeit, den Erfahrungsaustausch unter Unternehmerinnen und Unternehmern zu fördern.
Mag. Eva Skergeth-Lopic, Vorsitzende des Dachverbandes berufliche Integration Austria, sah die Wirtschaftskammer in der Pflicht, gegenüber ihren Mitgliedern einen inklusiven Arbeitsmarkt mit mehr Nachdruck zu fordern, während Dr. Hansjörg Hofer, Bundesanwalt für Menschen mit Behinderung, ein neues Denken etablieren möchte: Statt Ausgleichstaxe und Strafen sollten Förderungen und Bewusstseinsbildung betrieben werden.
Allgemein kann als Konsens festgehalten werden, der hinsichtlich der Erkenntnisse der Konferenz formuliert wurde:
- Vordringliche Aufgabe ist demnach die gesellschaftliche und spezifische Bewusstseinsbildung in und für Unternehmen,
- der Blick auf die Potentiale von Menschen mit Behinderung,
- aber auch der Veränderungsbedarf bei den rechtlichen Rahmenbedingungen, für die der Bund zuständig ist.
- Als wesentliches Instrument wurden weiter Langzeitförderungen für die Integration am Arbeitsmarkt bewertet.
Diesem Ziel dient auch die wissenschaftliche Begleitung, die von Soziallandesrätin Doris Kampus veranlasst wurde: Luka Jakelja, Mitarbeiter des Studienteams unter der Leitung des Wirtschafts- und Arbeitssoziologen Klaus Kraemer von der Karl Franzens Universität Graz, sah die Doppelaufgabe der Studie darin, aus den qualitativen Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmer nicht nur eine Ist-Analyse der Inklusion am steirischen Arbeitsmarkt anzustellen, sondern aus diesen Resultaten auch Empfehlungen abzuleiten.