2. Steirische EQUAL CARE DAY-Konferenz 2024
Wege in eine fürsorgliche Steiermark
Am 29. Februar fand das Equal Care Day-Festival statt - der Aktionstag für mehr Sichtbarkeit, Wertschätzung und eine faire Verteilung von Sorgearbeit!
Die Steiermark hat sich heuer nicht nur mit einer ganztägigen hybriden Konferenz beteiligt, sondern war auch Gastgeber und Hauptaustragungsort der internationalen Initiative „Equal Care Day".
Die diesjährige Konferenz in Graz stand unter dem Titel „WHO CARES?! Unsichtbar, unbezahlt & selbstverständlich - wer trägt die Sorgearbeit in der Steiermark?"
Landesrätin Simone Schmiedtbauer, Lebensressort und HRin Mag.a Alexandra Nagl, Leiterin der A6 Fachabteilung Gesellschaft haben die Konferenz 2024 eröffnet und rund 150 Teilnehmende vor Ort im Messe Congress Graz sowie zahlreiche Gäste auf der Online-Plattform Care-Landschaft begrüßt.
Auch Almut Schnerring und Sascha Verlan, die deutschen Gründer:innen und Initiator:innen des Equal Care Day waren heuer auf der Steiermark-Bühne zu Gast. Sie zeichneten Fachabteilungsleitung Alexandra Nagl und das Projektteam Marion Innerhofer-Eibel & Barbara Siegl als Botschafterinnen der Initiative Equal Care aus und bedankten sich persönlich beim Land Steiermark, A6 Fachabteilung Gesellschaft für den Schulterschluss am Equal Care Day für den interdisziplinären und institutsübergreifenden Zusammenschluss, für die gemeinsame Vision einer gleichberechtigten Gesellschaft, in der Care-Arbeit die Wertschätzung erfährt, die ihrer wirtschaftlichen und politischen, ihrer individuellen und gesellschaftlichen Rolle entspricht.
Sie finden HIER das Programm zum Equal Care Day 2024.
Mareike Fallwickl ist nach vierzehn Jahren als Texterin und Lektorin heute freie Autorin und Literaturvermittlerin. Für Magazine, Zeitschriften und Zeitungen verfasst sie Artikel, Essays und literarische Kurzgeschichten. Sie schreibt, liest, spricht über Bücher, steht auf Bühnen und versucht auf allen möglichen und unmöglichen Wegen, Menschen für Literatur zu begeistern. Im Fokus dabei: feministische, queere und diverse Themen.
„Dann bricht das System zusammen": Das ist ein Satz, der in Diskussionen zu Care-Arbeit oft fällt, wenn es nämlich darum geht, dass diese Arbeit nicht mehr getan wird. Die Autorin Mareike Fallwickl führt anhand ihres neuen Buchs „Und alle so still" vor Augen, was es bedeutet, wenn dieser Satz wahr wird, warum Sorgearbeit das Rückgrat unserer Gesellschaft ist und vor allem: wie wir diesen Zusammenbruch verhindern können.
Weitere Infos:
- Mareike Fallwickl (Mareike, Romane, Lesungen und Veranstaltungen)
- Literaturvermittlung @the_zuckergoscherl (Instagram)
Am Vormittag sprachen Prof. Dr. Martin Nagl-Cupal (Institut für Pflegewissenschaft der Universität Wien) und Prof.in Martina Schmidhuber (Health Care Ethics an der Karl-Franzens-Universität Graz) zum Thema „YOUNG CARERS - Wie (un)sichtbar sind junge pflegende Angehörige?". Im Mittelpunkt standen fachliche Inputs der beiden Wissenschafter zum Thema sowie persönliche Erfahrungsberichte von Hanna Klinger und Sofia Jüngling-Badia als Young Carers. Young Cares sind junge Menschen unter 18 Jahren, die zu Hause kranke Angehörige pflegen, bei der Pflege oder anderen Sorgetätigkeiten (Begleitung bei Arztbesuchen, Behördenwegen uvm.) unterstützen. Ein Bereich der unsichtbaren Care-Arbeit, der besondere Aufmerksamkeit verdient.
Impulsvortrag 1
Von Sorgen für zu Sich sorgen um und von der Sichtbarkeit zur Unterstützung. Young Carers - kindliche Care Arbeit im Kontext von Krankheit in der Familie.
Martin Nagl-Cupal ist Assoziierter Professor und Institutsleiter am Institut für Pflegewissenschaft der Universität Wien mit dem Schwerpunkt familienorientierte Pflegeforschung. 2011 beschäftigte er sich erstmalig in Österreich mit der Situation pflegender Kinder und Jugendlicher und veröffentlichte 2012 die ersten wissenschaftlichen Arbeiten dazu. Diesem Thema schenkt er nach wie vor große Aufmerksamkeit und wird national und international als Experte im Bereich der Young Carers Forschung wahrgenommen.
Familiäre Care Arbeit durch Kinder und Jugendliche ist ein weitläufig unterschätztes und wenig wahrgenommenes Phänomen. Diese „Young Carers" leisten meist unbemerkt und regelmäßig Care Arbeit für chronisch kranke oder behinderte Familienmitglieder. Meistens geht die dabei übernommene Verantwortung über jene von Gleichaltrigen deutlich hinaus. In Österreich gehen wir davon aus, dass zwischen drei und vier Prozent aller Kinder und Jugendlichen im Alter bis zum 18. Lebensjahr regelmäßig und erheblich in Care Arbeit im Zusammenhang mit Krankheiten in der Familie eingebunden sind.
Mittlerweile gibt es viele europäische Länder, die ihre Forschungsaktivitäten rund um diese Gruppe ausgeweitet haben. Die Unterstützungsbemühungen sind und bleiben allerdings zum Großteil noch sehr überschaubar. Hierfür ist es zu allererst notwendig, das Phänomen „kindliche Care Arbeit" zu verstehen. Der Vortrag gibt deshalb einen Einblick in das Phänomen und die Situation von Young Carers und geht der Frage nach, welche Maßnahmen auf politischer, institutioneller und individueller Ebene wichtig sind, um dem Phänomen der Young Carers begegnen zu können.
Zur Präsentation des Impulsgebers geht es HIER.
„Herausforderungen in der Young Carers-Forschung. Erfahrungen aus dem Projekt "Young Carers in Graz"
Univ.-Prof.in Dr.in Martina Schmidhuber studierte Philosophie an der Universität Salzburg. Sie forschte und lehrte zu Themen der Medizinethik an der Medizinischen Hochschule Hannover, der Universität Bielefeld und der Universität Erlangen-Nürnberg (Habilitation im Fach "Ethik und Theorie der Medizin"). Sie war als Gastforscherin in Norwegen (Oslo und Bergen) sowie Dozentin an den Tirol Kliniken. Seit Oktober 2019 ist sie Professorin für Health Care Ethics an der Karl-Franzens-Universität Graz.
Young Carers sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die zu Hause erwachsene kranke Angehörige pflegen oder betreuen. Die Gruppe der Young Carers gilt als versteckt, weil sie in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Eine wesentliche Herausforderung in der Young Carers-Forschung ist es, die jungen Menschen für Interviews zu erreichen und in diesem Zuge ihre Wünsche zur Verbesserung ihrer Lebenssituation zu eruieren. Es wird von den Erfahrungen und Herausforderungen aus einem Pilotprojekt der Universität Graz berichtet.
Weitere Infos:
- Studie „Kinder und Jugendliche als pflegende Angehörige: Einblick in die Situation Betroffener und Möglichkeiten der Unterstützung. Einsicht in die Situation gegenwärtiger und ehemaliger pflegender Kinder in Österreich (2015)
- AK-Studie „Young Carers in Oberösterreich"
- Plattform Young Carers Austria (BMSGPK)
- Young Carers in Graz, Projekt YouDig
- Video „Unsichtbare junge Pflegende" (Kleine Zeitung)
Am Nachmittag hat sich alles um das Thema Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit gedreht. Fachliche Inputs lieferten Jana Trap (Statistik Austria) und Nadja Bergmann (L&R Sozialforschung zum Thema „ERWERBSARBEIT UND SORGEARBEIT - (Un)-Vereinbar?". In den Vorträgen wurden u.a. ausgewählte Ergebnisse der Zeitverwendungsstudie präsentiert. WIEVIEL Zeit verbringen wir mit Care-Arbeit und WER macht sie?
In einer anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit: Ist die Steiermark bereit für neue Männlichkeiten, neue Karenzmodelle & Co?" diskutierten Vertreter*innen aus Politik, Recht, Gesellschaft, Wirtschaft und Praxis: LAbg. Silvia Karelly (Abgeordnete zum Landtag Steiermark, Bürgermeisterin), Mag.a Bernadette Pöcheim (Leiterin der Abteilung für Frauen und Gleichstellung der Arbeiterkammer Steiermark), Dr.in Elke Lujansky-Lammer (Leiterin Regionalbüro Steiermark der Gleichbehandlungsanwaltschaft), Mag.a Nina Zechner (stv. Geschäftsführerin der Industriellenvereinigung Steiermark) und Christoph Raith (Unternehmer, Vizebürgermeister und Vater in Karenz).
Impulsvortrag 1
Ausgewählte Ergebnisse der Zeitverwendungserhebung: WIEVIEL Zeit verbringen wir mit Care-Arbeit und WER macht sie?
Jana Trap, MA ist Sozialwissenschaftlerin bei Statistik Austria. Sie ist als Projektleiterin der Zeitverwendungserhebung 2021/22 tätig. In ihrem Kern beleuchtet die Zeitverwendungserhebung, wie viel Zeit die verschiedenen Bevölkerungsgruppen für unterschiedliche Tätigkeiten, z. B. für Erwerbstätigkeit, Bildung, Freizeitaktivitäten, persönliche Tätigkeiten oder für unbezahlte Arbeit, aufwenden. Die Ergebnisse bieten wertvolle Informationen für eine Vielzahl gesellschaftspolitischer Themen.
Der Vortag zur Zeitverwendungserhebung 2021/22 stellt die unbezahlte Arbeit in den Mittelpunkt. Dabei werden die Verteilung der Sorgearbeit in Haushalt und Familie sowie einzelne Aspekte der Kinderbetreuung und Hausarbeit thematisiert.
Zur Präsentation der Impulsgeberin geht es HIER.
Impulsvortrag 2
Vereinbarkeit von Familie & Beruf: Wo sind die „Karenzväter*" und „(Eltern-)Teilzeitmänner*"?
Mag.a Nadja Bergmann ist Soziologin und arbeitet seit über 20 Jahren im Feld der Gleichstellungsforschung mit einem Fokus auf bezahlte und unbezahlte Arbeit und geschlechtsdifferenzierten Verteilungsmustern von Care. Sie ist als Forschende und Co-Geschäftsführung bei L&R Sozialforschung, einem außeruniversitären Forschungsinstitut in Wien tätig.
Seit geraumer Zeit wird über eine gerechte Aufteilung der Karenz- bzw. Betreuungszeiten diskutiert. Wie sieht die aktuelle Entwicklung aus? Bietet die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben neue Impulse? Welche (Unternehmens-)Politik ist förderlich?
Zur Präsentation der Impulsgeberin geht es HIER.
Das Herzstück war auch in diesem Jahr wieder ein Marktplatz mit 29 Organisationen und Initiativen aus den verschiedenen Care-Bereichen. Von A wie Arbeiterkammer Steiermark bis Z wie Zentrum für Interdisziplinäre Alterns- und Care-Forschung bzw. über die verschiedenen Lebensphasen von den Frühen Hilfen, Eltern-Kind-Zentren... über das Innovationsnetzwerk Pflegender Angehöriger, Community Nurse Netzwerk... verschiedene Initiativen im Bereich „Caring Communities", der Gemeinwesenarbeit... bis hin zur Krankenhausseelsorge und dem Hospizverein Steiermark.
Informieren - austauschen - vernetzen standen dabei am Programm!
Eine Übersicht und kurze Beschreibung der teilnehmenden Organisationen finden Sie im Programmheft.
Pointierte Poetry Slam-Beiträge von Yasmo (@yasmoone) und eine Ausstellung „Was würde ich wollen?" zur Zukunft der Pflege rundeten das bunte und vielfältige Programm am diesjährigen Equal Care Day in der Steiermark ab.
Mit der Workshop-Reihe "Was würde ich wollen?" wurde eigens ein Ort geschaffen, um sich mit Altern und Pflege aktiv und kreativ auseinanderzusetzen. Workshops an mehreren Orten in Graz und Hartberg eröffneten die Möglichkeit des Dialogs; dabei tauschen Interessierte, besonders Betroffene, Angehörige und Pflegekräfte ihr Wissen und ihre Erfahrung in einer gleichberechtigten Kommunikation aus. Der Blick will auf Perspektiven gerichtet werden.
Beim Equal Care Day 2024 kam es zur Ausstellung der Collagen, Fotos und Tonaufnahmen der Workshops, erklärende Texte geben zusätzlich Einblicke. Ungern beschäftigen wir uns nämlich mit Zuständen wie Angewiesensein und drohendem Autonomieverlust. Genau hier setzt das Projekt an, will Impulse geben, sich früher damit zu beschäftigen, noch bevor der „Hut brennt". Kenne ich meinen Handlungsspielraum, tue ich mir möglicherweise leichter mit anstehenden Entscheidungen.
Mit der Ausstellung will das Thema Altern und möglicher Pflegebedarf direkt in die Bevölkerung gebracht werden.
Karin Schuster, MA, arbeitete drei Jahrzehnte als Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Seit 13 Jahren ist sie leidenschaftliche Sendungsmacherin bei Radio Helsinki - Freies Radio Graz - wo sie bereits das vierte Projektjahr Pflegestützpunkt umsetzt.
Nicht nur vor Ort in Graz, sondern auch in Düsseldorf, München und Hamburg sowie virtuell auf der digitalen Care-Landschaft und an vielen weiteren Orten in Deutschland, Österreich, Tschechien, Italien und der Türkei - überall kamen am diesjährigen Schalttag Menschen zusammen, um sich für mehr Wertschätzung, Sichtbarkeit und eine faire Verteilung von Sorge- und Pflege-Arbeit stark zu machen.
#GemeinsamLauter ist der Weg!
Alle Beiträge wurden aufgezeichnet und stehen auf der Equal Care Day-Plattform zur Nachschau bereit.
Auch bei Radio Helsinki gab es live eine Präsentation des Equal Care Day-Festivals 2024 im Vorfeld, HIER kann diese nachgehört werden.
Wir sagen DANKE!
Das gesamte Team der Fachabteilung Gesellschaft, Referat Familie, Erwachsenenbildung und Frauen bedankt sich sehr herzlich bei allen Mitwirkenden vor und hinter den Kulissen sowie für die Unterstützung durch das deutsche ECD-Organisationsteam - gemeinsam können wir auf einen gelungenen Equal Care Day 2024 zurückblicken!